Sigmund Durlacher betrieb seit 1909 im Ludwigshafener Hemshof einen Schuhhandel mit mehreren Filialen. 1940 wurde er mit seiner Ehefrau nach Gurs deportiert. 1942 wurden beide zuerst in das Internierungslager Drancy und von da nach Auschwitz verschleppt. Dort wurden beide ermordet.
Recherchiert von Dr. Stefan Mörz
Salomon (genannt Sigmund) Durlacher trug wie viele Juden seiner Zeit einen eher religiösen und einen eher auf die nicht-jüdische Umwelt abgestimmten Namen. Er wurde am 24. August 1879 in Münzesheim bei Bretten in Baden als Sohn eines „Handelsmanns“ geboren. Über seine frühen Jahre ist nichts bekannt.
Seit 1906 lebte er in Mannheim. Drei Jahre später, im März 1909, zog er nach Ludwigshafen und eröffnete am 12. Mai dieses Jahres an der Ecke von Prinzregenten- und Stein- (heute Ganderhof-) Straße im Hemshof ein Schuhgeschäft, das von vornherein mit zwei Angestellten, einem Lehrling und einem recht großen Jahresumsatz ein ansehnliches Unternehmen war. Noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs gründete er im Hemshof zwei weitere Geschäftsfilialen. 1911 heiratete Durlacher die 1884 in Höheinöd geborene Ella Mann aus der gut vernetzten Kaufmanns- und Unternehmer-familie, die auch in Ludwigshafen präsent war. Aus der Ehe gingen drei Kinder – 1913 Heinz, 1917 Erich und 1920 Lore – hervor.
Während des Ersten Weltkriegs wurde Sigmund Durlacher an der Front in Frankreich eingesetzt. In den Jahren der Weimarer Republik konnte er zum Besitzer des „Stamm“-Hauses in der Steinstraße werden. Gebäude und Ladengeschäft wurden modernisiert und ausgebaut. Im September 1930 eröffnete Durlacher dann ein Schuhgeschäft in der Ludwigstraße, der Einkaufsstraße der Stadt. Er gehörte offenbar zu den gesellschaftlich arrivierten jüdischen Mitbürgern, die dennoch offen für die Ideen des Zionismus waren. So spendete er für den Jüdischen Nationalfonds, der Land für die Ansiedlung von Juden in Palästina kaufte.
Auch für die Geschäftstätigkeit Sigmund Durlachers bedeutete die antisemitische Politik des Nationalsozialismus das Ende. Um 1936 gab er beide große Läden auf. Das Stammgeschäft im eigenen Haus vermietete er – und legte vertraglich fest, dass er für das Ladeninventar bei einer Wiederübernahme des Unternehmens ein Rückkaufsrecht besaß. Hier und im Festhalten am Hausbesitz zeigte sich die – bei vielen Juden zu findende – vergebliche Hoffnung, dass der Nationalsozialismus ein baldiges Ende finden und sie wieder in ihre angestammte gesellschaftlich-ökonomische Position würden einrücken können.
Nach der Reichspogromnacht war diese Hoffnung offenbar auch bei den Durlachers erloschen. Die Kinder flohen in die Niederlande bzw. nach Palästina. Sigmund und Ella Durlacher waren bereits vor dem Pogrom, im Juli 1938, nach Mannheim gezogen, wohl um in einer größeren Stadt, in der sie nicht bekannt waren, dem allgegenwärtigen Judenhass besser entgehen zu können. Im März 1940 verkauften sie ihr Haus in der Steinstraße an einen „arischen“ Mannheimer.
Ella und Sigmund Durlacher wurden in Mannheim von der Deportation der badisch-pfälzischen Juden erfasst und, wie es die deutsche Behörde formulierte, „am 22.10.1940 nach Internierungslager Frankreich [d.h. nach Gurs] abgeschoben.“ Die Eheleute beantragten am 18. Februar 1942 die Verlegung nach Récébédou. Am 31. August 1942 kamen Sigmund und Ella Durlacher von Drancy nach Auschwitz, wo sie ermordet wurden.
Der Stolperstein für Sigmund Durlacher wurde am 28. Oktober 2019 vor dem Wohnhaus in der Ludwigstraße 83 verlegt.