Karl Hirschler

Lisztstraße 117

Karl Hirschler war in Ludwigshafen aufgewachsen. In den 1930er Jahren betrieb er einen Großhandel für Erze, Mineralien und Bergwerksprodukte. Anfang November 1938 flüchtete er zunächst nach Frankreich und von dort nach England.

Biografie

Recherche: Dr. Stefan Mörz

 

Karl Jonathan Hirschler stammte aus einer alten pfälzisch-jüdischen Familie. Er wurde am 9. März 1890 in Frankenthal geboren. Der jüngste Sohn des Mehl- und Getreidegroßhändlers Bernhard Hirschler wuchs mit seinen fünf Geschwistern in der gehobenen Umgebung der innerstädtischen Wredestraße nahe am Rhein auf. Alle Geschwister ergriffen „bessere“ Berufe – Großhändler, Arzt – bzw. verheirateten sich gut. Der Zusammenhalt der Familie war groß. Alle lebten in und um Ludwigshafen.

 

Nach dem Militärdienst während des Ersten Weltkriegs heiratete Karl Hirschler am 2. Dezember 1920 die in Mannheim geborene Hilda Oppenheimer. Zwei Kinder, Agnes Beate und Franz Georg, gingen aus der Ehe hervor. Im Jahr seiner Heirat wurde Karl als „Fabrikant“ beschrieben. Zeitweise betrieb er gemeinsam mit seinem Bruder Joseph und seinem Schwager eine Zigarrenfabrik. Dann kehrte er geschäftlich zu seinen Wurzeln zurück. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte er eine Lehre im Bergwesen gemacht und in Minen in Spanien und Marokko gearbeitet. Wenige Monate nach dem Tod seines Vaters gründete Karl eine Großhandelsfirma für Erze, Mineralien und Bergwerksprodukte. Die Familie zog aus der Wredestraße in den südlichen Stadtteil, zuerst in eine Wohnung in der Lisztstraße 176, einem ehemals für die französische Besatzung errichteten Gebäude. 1933 wechselte sie die Straßenseite und lebte fortan im Jugendstil-Haus des jüdischen Oberbaudirektors und Chefs der Wohnungsbaugesellschaft, Markus Sternlieb. „Ums Eck“ in der Brucknerstraße 3 wohnte Karls Bruder Sigmund in einem ebenfalls vom Jugendstil geprägten repräsentativen Gebäude.

 

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde der Druck auf den „Juden Karl Hirschler“, wie es im amtlichen NS-Jargon hieß, immer größer. Karl Hirschlers Firma blieb aber eine der wenigen „jüdischen“ Firmen in Ludwigshafen, die 1938 noch nicht unter der von den Nationalsozialisten betriebenen „Entjudung der deutschen Wirtschaft“ verdrängt oder vernichtet worden waren. Mitte 1938 ging sie „in Liquidation“.

 

Anfang November floh Hirschler zu seiner Tochter Agnes, die in Paris Kunst studierte. Mit Hilfe ihres Freundes Karl Lochner, Architekt und späterer Leiter der Ludwigshafener Bauverwaltung, gelang Hilde und Franz Hirschler unmittelbar nach dem Pogrom des 9. November die Flucht zuerst nach Norwegen. In Großbritannien war die Familie wieder vereint und baute sich ein neues Leben auf. Sie wurden britische Staatsbürger. Ihre deutsche Staatsangehörigkeit wurde ihnen 1939 aberkannt, die Firma 1941 aufgelöst.

Karl Hirschler starb im September 1977 im Londoner Vorort New Malden.

Der Stolperstein für Karl Jonathan Hirschler wurde am 12. Mai 2023 vor dem Wohnhaus in der Lisztstraße 117 verlegt.