Als die in Ludwigshafen geborene Ursula Michel ihre Heimat verlassen musste, war sie 15 Jahre alt. Sie floh in letzter Minute, im August 1939 kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, mit einem Kindertransport nach England. Ihr Vater Heinrich, die Mutter Gertrud und die jüngere Schwester Lilli mussten zurückbleiben und wurden ermordet.
Informationen von ihrer Tochter Judith Rhodes
Ursula Michel wurde am 26. Oktober 1923 in Ludwigshafen geboren. Ihre Familie lebte in der Pfalzgrafenstraße 67. Ursulas Vater Heinrich Michel war jüdischen Glaubens. Die Mutter Gertrud war zwar geborene Jüdin, aber christlich getauft. Ursula und ihre 1927 geborene Schwester Elisabeth, genannt „Lilli“, wurden ebenfalls protestantisch getauft. Ursula besuchte von 1930 bis 1934 die „Volkshauptschule Ludwigshafen“ und war dann Schülerin der „Mädchen-Oberschule“ (heute Geschwister-Scholl-Gymnasium), bis sie im November 1938 von der Schule verwiesen wurde.
Nach der Pogromnacht des 9. November 1938 verlor die Familie Michel ihre Wohnung in Ludwigshafen. Nach der erzwungenen Übersiedlung nach Mannheim bemühte sich die Familie um eine Ausreise. Sie fanden schließlich für Ursula einen Platz in einem Transport, den der Pfarrer der Heidelberger Heiliggeistkirche zur Rettung jüdischer Kinder organisierte und der im August 1939 als einer der letzten Deutschland verließ.
In England wurde sie an der von einer Quäkerin geleiteten Orme Girls´ School aufgenommen und lebte in einer Pflegefamilie, die sie wie ihr eigenes Kind behandelte. Sie konnte dort ihren Schulabschluss machen und heiratete 1946 ihren Mann Harold Rhodes. Sie bekamen eine Tochter, Judith Rhodes.
Nach langen Jahren der Ungewissheit erfuhr Ursula Michel vom Schicksal ihrer Familie. Heinrich, Gertrud und Lilli Michel hatten versucht, in die Schweiz zu fliehen, wurden aber an der Grenze zurückgewiesen. Im April 1942 wurden alle drei aus Mannheim nach Izbica deportiert und in der Folge ermordet.
Ursula Michel blieb in England und starb dort im August 2011. Ihre Tochter Judith arbeitete das Schicksal ihrer Familie auf und berichtet davon regelmäßig in Vorträgen an Schulen. Das Schicksal von Ursula Michel wird auch in dem Film “Koffer gepackt und überlebt” dargestellt, an dessen Produktion Ludwigshafen setzt Stolpersteine e.V. maßgeblich beteiligt war.
Koffer gepackt und überlebt – der Trailer zum Film über die Geschichte Ursula Michels
Der Stolperstein für Ursula Michel wurde am 3. Mai 2010 vor dem Wohnhaus in der Pfalzgrafenstraße 67 verlegt.