Helene Ott

Wredestraße 16

Helene Ott war als Mitglied der KPD im Widerstand. Nach 1933 wurde sie mehrmals verhaftet, 1940 schließlich zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Die Nationalsozialisten brachten sie in das KZ Dachau und von dort nach Auschwitz. Dort wurde sie am 28. Oktober 1942 ermordet.

Biografie

Von Roland Paul

 

Weil sie sich zu den Kommunisten bekannte, ihr ein Verhältnis mit einem Franzosen nachgesagt wurde und sie mit Juden befreundet war, geriet Helene Ott in die Fänge der grausamen NS-Justiz.

 

Sie wurde als Helena Trennhäuser am 4. Oktober 1898 in Ludwigshafen als jüngstes von drei Kindern des Müllers Adam Trennhäuser und seiner Frau Elisabetha, geb. Fröhlich, geboren und katholisch getauft. In der Familie wurde sie Helene genannt. Ihr Vater, der in der Ludwigshafener Walzmühle arbeitete, starb 37-jährig, als Helene kaum zwei Jahre alt war. Ihr einziger Bruder Jakob fiel 1917 an der Somme in Frankreich.

 

Nach dem Krieg verliebte sich Helene Trennhäuser in einen französischen Besatzungsoffizier, der sie gerne geheiratet hätte, aber ihre Mutter war gegen die Hochzeit. Der aus dieser Verbindung hervorgegangene Sohn wurde später von dem Fabrikarbeiter Oskar Ott, den Helene am 6. September 1919 heiratete, adoptiert. Mit Oskar Ott hatte sie die beiden Kinder Elisabeth und Fritz. Die Familie wohnte zunächst in der Steinstraße 5, dann in der Wredestraße 16 in Ludwigshafen.

 

Helene Ott engagierte sich – wie ihr Ehemann – bis 1933 in der Kommunistischen Partei Deutschlands. Mit anderen örtlichen Mitgliedern der KPD traf sich das Ehepaar Ott wiederholt im Nebenzimmer der Gastwirtschaft von Johannes Kuntz in Ludwigshafen.

 

Weil er im Besitz eines „staatsfeindlichen Flugblattes“ gewesen sei, wurde der Hafenarbeiter und Gastwirt Johannes Kuntz am 29. Juli 1936 in seiner Wohnung festgenommen. Bei seiner Vernehmung gab er an, das Flugblatt „etwa im Dezember 1934 oder anfangs 1935“ von Helene Ott erhalten zu haben, was seine Frau bestätigt haben soll. Dieses Flugblatt habe er dem „früheren Kommunisten“ Andreas Fassot aus Neuhofen zu lesen gegeben.

 

Am folgenden Tag (30. Juli 1936) wurde Helene Ott in ihrer Wohnung festgenommen. „Bei der in ihrer Gegenwart stattgefundenen Hausdurchsuchung wurde staatsfeindliches Material nicht gefunden“, heißt es im Vernehmungsprotokoll. Auf dem Büro der Fahndungspolizei gab sie folgendes zu Protokoll: „Die mir zur Last gelegte Tat bestreite ich ganz entschieden. Es ist unwahr, daß ich den Eheleuten Kuntz im vergangenen Jahre ein kommunistisches Flugblatt in die Wohnung gebracht habe. Seit dem Verbot und der Auflösung der KPD bin ich nicht mehr in die Wirtschaft Kuntz gekommen. Wenn Kuntz behauptet, daß ich ihm […] ein kommunistisches Flugblatt in die Wohnung gebracht habe, so lügt er und will mich unglücklich machen. Ich gebe offen zu, daß mein Ehemann und ich früher Anhänger der KPD waren. Mein Ehemann war ein eingeschriebenes Mitglied und verkaufte die Arbeiterzeitung. Ich selbst besuchte mit ihm die kommunistischen Versammlungen und habe mich auch zu den Kommunisten bekannt. In dem Nebenzimmer der Wirtschaft Kuntz hatten die Kommunisten ihr Verkehrslokal und ich bin mit meinem Ehemanne auch verschiedentlich in die Wirtschaft Kuntz gekommen. Nachdem die Partei aufgelöst und verboten war, habe ich mit meinem Ehemann die Wirtschaft Kuntz nicht mehr betreten. Wenn Frau Kuntz ehrlich und aufrichtig ist, muß sie die Wahrheit sagen. Niemals habe ich ihr ein Flugblatt gebracht. Ich bitte, daß ich dem Wirt Kuntz und seiner Ehefrau gegenübergestellt werde und es wird sich dann herausstellen, daß Kuntz bewußt die Unwahrheit gesagt hat, um mich unglücklich zu machen. Es wird mir bestimmt niemand nachweisen können, daß ich mich seit der nat. Erhebung jemals staatsfeindlich betätigt hätte. Mein Ehemann hat an der Autobahn in Füssen Arbeit bekommen und ich bin mit den heutigen Zuständen durchaus zufrieden.

 

Die Ehefrau Kuntz bestätigte daraufhin die Angaben von Helene Ott: „Den Angaben meines Ehemannes kann man bestimmt keinen Glauben schenken.“ Sie sei „von meinem Ehemann unschuldig in die Sache hineingezogen worden“, erklärte sie bei ihrer Vernehmung. „Auf eindringliches Zureden der Wahrheit die Ehre zu geben“, erklärte Johannes Kuntz schließlich, das Flugblatt von Johann Nunnemann, der im gleichen Hause wohnte, erhalten zu haben.

 

Die Ehe von Helene und Oskar Ott wurde am 4. September 1937 durch Urteil des Landgerichts Frankenthal geschieden. Am 11. Februar 1939 hieß es: „Die Ott soll mit einem Franzosen ein Liebesverhältnis unterhalten und beabsichtigt ihren Wohnsitz nach Frankreich zu verlegen.“ Am 9. Oktober wurde Helene Ott wegen Vergehens gegen das Heimtückegesetz angezeigt. Sie wurde am 17. Juli 1940 wegen dieses angeblichen Delikts zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr verurteilt. Nach Aussagen ihrer Angehörigen kam Helene Ott zunächst für fünf Monate in Arrest, dann in ein Konzentrationslager, schließlich nach Auschwitz. Dort starb sie am 28. Oktober 1942. In einer 1954 vom Sonderstandesamt Arolsen ausgestellten Sterbeurkunde wird ihre Religion als „israelitisch“ angegeben, was nachweislich falsch ist.

 

Obwohl ihre Eltern sie warnten, bestand Helene Otts Nichte Anna Katharina (Änne) Baumann, geb. Ferkel, auf der Zusendung der Urne mit den sterblichen Überresten ihrer Tante. Durch dieses Verlangen habe sie ihre Familie „in Sorge versetzt“, alle hätten gebangt. Die Familie erhielt die Aschenurne zusammen mit einem Brief, in dem stand, dass Helene Ott nach schwerer Krankheit „sanft“ entschlafen sei. Die Urne wurde schließlich im Familiengrab auf dem Ludwigshafener Hauptfriedhof beerdigt, was das Bestattungsamt der Stadt Ludwigshafen mit einer am 21. Juli 1954 ausgestellten Bescheinigung bestätigte.

 

Fünfzig Jahre nach dem Tod ihrer Tante schrieb Änne Baumann:

Nahezu ein halbes Jahrhundert ist vergangen,
Dass sich Tante Helene in den Maschen des Regimes gefangen.
Die nationalsozialistische Politik war ihr Verderben.
Deswegen mußte sie im Konzentrationslager sterben.
Sie hatten ihre Juden-Einstellung sehr bedacht,
Zuletzt aktenkundig sogar zu einer „Jüdin“ gemacht.“

 

Ihr ganzes Leben lang bewahrte die Nichte das Andenken an Helene Ott:
Wie könnte ich Tante Helene vergessen?
Sie war eine hübsche, stolze Frau gewesen!
Musisch veranlagt, belesen, sehr charmant,
intelligent, die viele Freunde fand.“

 

Weiter schrieb Änne Baumann, dass Helene Otts Judenfreundschaft der Gestapo „durch falsche Zungen hinterbracht“ worden sei und die Aussagen einer Freundin ihr zum Verhängnis geworden seien.

„Um selbst rein dazustehen, hat sie‘s beschworen.
So ging die Freiheit für Tante Helene verloren.
Nach 5 Monaten Arrest ins KZ gebracht,
wurde ihr im Okt. 1942 der Garaus gemacht.

Der Stolperstein für Helene Ott wurde am 25. Oktober 2020 vor dem Haus in der Wredestraße 16 verlegt.