Louis Pinkus hatte sich vor dem Ersten Weltkrieg als Kaufmann in Ludwigshafen niedergelassen. Er wurde am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert, von dort zunächst in das Lager Rivesaltes und dann in das Lager Nexon. Er wurde befreit, blieb in Frankreich und starb 1947 in Aix-les-Bains.
Recherchiert von Andreas Berlin
Louis Pinkus kam aus der Uckermark. Er wurde am 3. Juni 1872 in Briest (Kreis Angermünde, heute ein Teil von Schwedt/Oder) geboren. Seine Eltern waren Jacob Pinkus und Emma Pinkus, geb. Rosenbaum. Louis wurde Kaufmann. Emma Gans und Louis Pinkus heirateten Am 6. April 1903 heiratete er Emma Gans. Die Hochzeit fand in Vaals statt, einem niederländischen Vorort von Aachen, wo die Familie der Brautmutter zuhause war. In den folgenden Jahren lebten die beiden in Oberhausen im Rheinland. Am 21. Oktober 1904 gebar Emma die Tochter Edith, am 5. Mai 1909 den Sohn Lothar. Die Familie wohnte in der Marktstraße 102 in Oberhausen. In den alten Oberhausener Adressbüchern wurde Louis Pinkus zunächst als Handlungsgehilfe bezeichnet (1906), später als Geschäftsführer (1908).
Irgendwann zwischen 1910 und 1912 kam Louis Pinkus nach Ludwigshafen, wahrscheinlich zunächst allein, denn die Tochter Edith gab später in einem Fragebogen an, sie sei von 1910 bis 1921 in Oberhausen zur Schule gegangen. 1917 wohnte er in der Kaiser-Allee 13. Das ist die heutige Saarlandstraße, und die (heutige) Hausnummer 13 befindet sich an der Ecke, wo die „Teufelsbrücke“ von der Saarlandstraße abzweigt. Louis Pinkus erwarb ein „Möbel- und Warenabzahlungsgeschäft“ in der Ludwigstraße 36, das er unter dem Namen des vorherigen Eigentümers G. Guttmann weiterführte.
Ab Mitte der 1920er Jahre wohnte die Familie Pinkus in der Schützenstraße 17. Tochter Edith heiratete am 20. März 1926 den Mannheimer Kaufmann Alfred Theodor Rau. Am 15. September 1926 brachte sie eine Tochter zur Welt – Iris Rau. Die Ehe hielt nicht lange. Am 9. März 1928 wurden Alfred und Edith Rau geschieden, und ein Jahr später nahm Edith wieder den Familiennamen Pinkus an. Im Sommer 1932 ging sie nach Mailand. Louis, Emma und Lothar Pinkus zogen um in die Zollhofstraße 11. Anders als heute war die Zollhofstraße damals nur eine kleine Gasse parallel zur Ludwigstraße, zwischen Winterhafen und Kaiser-Wilhelm-Straße. Ab 1934 war Louis Pinkus im Ludwigshafener Adressbuch als „Ludwig“ Pinkus verzeichnet.
Die Lebensverhältnisse der Familie Pinkus waren Gegenstand eines Restitutionsverfahrens, das im Januar 1961 vor dem Landgericht Frankenthal verhandelt wurde. Ludwigshafener, die in den 1930er Jahren in der Wohnung in der Zollhofstraße 11 zu Gast waren, sagten aus:„Die Familie Pinkus lebte in guten Verhältnissen.“
„In dem Wohnzimmer und Herrenzimmer lagen echte Teppiche. Der Sohn war ja in einem Teppichhaus. Außerdem kann ich mich an einen Gobelin und einige Bilder und Ölgemälde erinnern.“
„Frau Pinkus hatte auch immer sehr schönen Schmuck getragen und in ihrer Wohnung war reichlich Kristall und Silber vorhanden gewesen.“
„Ich kann mich an einen sehr großen Bücherschrank mit zahlreichen Büchern erinnern, eine massive Einrichtung mit Tisch und Stühlen sowie Ledersesseln.“
Zwei (nichtjüdische) Zeuginnen erklärten, dass sie die Familie Pinkus ab Mitte der 1930er Jahre nicht mehr besucht hatten: „Ich bin etwa 1935/36 letztmals in die Wohnung gekommen, weil es dann zu gefährlich wurde.“
Die Pinkus waren auch mit der Familie Michel befreundet, für die in der Pfalzgrafenstraße 67 vier Stolpersteine verlegt worden sind. In dem erhalten gebliebenen Poesiealbum der jüngeren Tochter, Lilli Michel, finden sich zwei Gedichte, die Emma und Louis Pinkus im Januar 1937 eingetragen haben. Louis Pinkus hat zwei Verse von Theodor Fontane beigesteuert und dazu geschrieben: „Denke auch in späteren Jahren an Deinen väterlichen Freund Louis Pinkus.“
In der Pogromnacht im November 1939 wurde die Wohnung in der Zollhofstraße von SA-Leuten verwüstet, ebenso wie die Wohnung der Michels in der Pfalzgrafenstraße und viele andere. Emma Pinkus reiste Ende 1939 nach Holland. Wir wissen nicht, ob das ein Fluchtversuch oder einfach nur ein Familienbesuch war. Emma hatte eine Schwester, Rosa Eijsman-Gans, die in Den Haag lebte und dort am 16. Dezember 1940 verstarb. Im Februar 1940 erhielt Ursula Michel, die 1939 mit einem Kindertransport nach England entkommen war, einen Brief von ihrer Mutter, in dem sie gebeten wurde, „ein paar Zeilen“ an Frau Pinkus in Den Haag zu schreiben. „Sie kann zur Zeit nicht nach Ludwigshafen zurück“, hieß es in dem Brief weiter. Emma Pinkus blieb auch in den folgenden Jahren in Den Haag. Am 19. Februar 1943 wurde sie verhaftet und in das Lager Westerbork gebracht. Am 2. März verließ sie Holland mit einem Transport, der am 5. März 1943 im Vernichtungslager Sobibor ankam.
Edith Pinkus wurde 1940 als „ausländische Jüdin“ aus Italien ausgewiesen. Sie konnte am 11. Juli 1940 noch ihre zweite Tochter Germana in Mailand zur Welt bringen. Am 26. August musste sie Italien schließlich verlassen. Mit ihrer gerade sechs Wochen alten Tochter fand sie Unterkunft bei ihrem Vater und Bruder in Ludwigshafen, in der Zollhofstraße 11. Am Morgen des 22. Oktober 1940 wurden Louis und Edith Pinkus von SS-Leuten aufgefordert, ihre Koffer zu packen und sich im Hof der Maxschule einzufinden. Sie durften höchstens 10 kg Gepäck mitnehmen. Zusammen mit 177 anderen Ludwigshafenern wurden sie auf Lastwagen zum Bahnhof gebracht. Von dort ging der Transport in das Lager Gurs in Südfrankreich.
Edith konnte noch 1940 mit ihrer kleinen Tochter aus dem Lager fliehen und versteckte sich in Nizza. Louis Pinkus wurde im Frühjahr 1941 von Gurs in das Lager Rivesaltes verlegt. Er war jetzt 68 Jahre alt, und sein Gesundheitszustand verschlechterte sich. Ab Sommer 1942 wurden Tausende jüdische Häftlinge aus Gurs und Rivesaltes nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Louis Pinkus blieb dieses Schicksal erspart. Am 3. Oktober 1942 brachte man ihn mit einem Transport von „Alten und unheilbar Invaliden“ in das Lager Nexon. Dort wurde er 1944 befreit. Louis Pinkus blieb in Frankreich. Er starb am 29. April 1947 in Aix-les-Bains.
Der Stolperstein für Louis Pinkus wurde am 11. Oktober 2022 vor dem Haus in der Zollhofstraße 11 verlegt.