Therese Schwarz, geborene Marx, kam aus dem Saarland und heiratete in Ludwigshafen den Uhren- und Schmuckhändler Carl Sidlin. Nach dessen Ermordung übernahm sie das Geschäft und ging eine neue Ehe mit Oskar Schwarz ein. 1939 wurden die beiden gezwungen, das Geschäft zu verkaufen. Sie flüchteten nach Großbritannien. 1948 ließen sie sich in den USA nieder.
Recherchiert von Dr. Stefan Mörz
Am Beginn der Geschichte der jüdischen Familie Sidlin / Schwarz steht ein Mord. Am 11. Januar 1926 erschoss ein Geistesgestörter den 37-jährigen Uhren- und Goldschmiedehändler Carl Sidlin in seinem Geschäft in der Prinzregentenstraße. Der in Russland bzw. dem heutigen Lettland Gebürtige hatte seit 1908 in Deutschland gelebt und sich ganz mit seiner neuen Heimat identifiziert; er wollte deutscher Staatsbürger werden, weshalb er weder die lettische noch die sowjetische Staatsbürgerschaft angenommen hatte und „staatenlos“ war. Anfang der 1920er hatte er das angesehene Uhren- und Schmuckgeschäft Chormann in Ludwigshafen übernommen. Die Anteilnahme an seinem Schicksal war überwältigend, Hunderte folgten Sidlins Sarg. Keine Spur von Antisemitismus! Das entsprach der Atmosphäre der jungen Industriestadt, die auch von jüdischen Beobachtern bestätigt wurde.
Sidlins Frau Therese, geb. Marx, aus dem Saarland stammend, lag zum Zeitpunkt des Mordes mit ihrem erst wenige Tage alten Sohn Karl im Krankenhaus. Therese Sidlin übernahm das Geschäft. Außerdem besaß sie ein Haus in der Grünerstraße im Stadtteil Süd. 1929 heiratete sie den aus Przemysl in Galizien (heute Polen) stammenden, in Berlin lebenden 38-jährigen Goldwarenhändler Oskar Schwarz – nach den Erinnerungen der Familie eine Konventionsehe. Schwarz übernahm das Geschäft; das Haus blieb im Besitz seiner Ehefrau. Der Sohn Karl Sidlin wurde nunmehr Karl Schwarz.
Der Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft brachte Unheil über die Familie. 1934 wurde Oskar Schwarz aufgrund neuer, vorzugsweise antisemitisch motivierter Gesetzgebung das 1919 in Baden erworbene deutsche Bürgerrecht wieder entzogen. Wenig später vollzog die Stadt Ludwigshafen diesen Schritt auch für Therese Schwarz und ihren Sohn. Durch ihre Heirat mit dem staatenlosen Carl Sidlin hatte Therese Sidlin / Schwarz kurzzeitig ihre deutsche Staatsbürgerschaft verloren und erst 1926, dann mit ihrem Sohn, wieder zurückerhalten. Diese „Unterbrechung“ diente jetzt als Hebel zur Ausbürgerung. Um 1938 verkaufte Therese Schwarz das Haus in der Grünerstraße – unter Druck und viel zu billig.
Nach dem Terror der so genannten Kristallnacht wurde Oskar Schwarz wie viele Ludwigshafener jüdische Männer für eine Zeit ins KZ Dachau gebracht. Nach seiner Rückkehr zwang man ihn, im Rahmen der NS-Politik der Verdrängung jüdischer Geschäftsinhaber, im Februar 1939 sein Geschäft, das er bis dahin weiterbetrieben hatte, zu verkaufen. Der Wert des Inventars wurde von einem nicht-jüdischen Schmuckhändler – vermutlich viel zu gering – geschätzt. Ein Uhrenhändler, der das Geschäft schon früher hatte erwerben wollen, übernahm es mit allen Waren und Inventar für einen niedrigen Preis.
Noch im selben Jahr verließen Oskar, Therese und Karl Schwarz Deutschland. Ihre einer Spedition übergebene hochwertige Wohnungseinrichtung wurde ihnen geraubt. Während Karl zunächst im französischen Château de la Guette eine vorläufige Bleibe fand, gelang es Therese und Oskar, nach Großbritannien zu fliehen. 1948 fanden sie in den USA eine neue Heimat. Doch war Oskar Schwarz von Krankheit gezeichnet. Er erhielt aus Deutschland Entschädigungen und eine Rente. Therese Schwarz wurde das Haus in der Grünerstraße „restituiert“. Es war allerdings im Februar 1945 bei einem Luftangriff völlig zerstört worden. Frau Schwarz verkaufte das Anwesen wieder. Das Haus, in dem sich das Schmuck- und Uhrengeschäft befand, ist abgerissen worden. Überlebt hat das Haus Prinzregentenstraße 65, in dem die Familie Schwarz wohnte.
Der Stolperstein für Therese Schwarz wurde am 12. Mai 2023 vor dem Wohnhaus in der Prinzregentenstraße 65 verlegt.