Vera Steckelmacher war mit dem Rabbiner Dr. Ernst Steckelmacher verheiratet. Im Oktober 1940 wurden beide nach Gurs deportiert. Die Verlegung in ein Krankenhaus in Toulouse und der Umstand, dass sie sehr gut Französisch sprach, verhalfen ihr zum Überleben.
von Wilhelm Kreutz
Vera Steckelmacher wurde als Vera (Wera) Weil am 3. Juli 1894 in Ellwangen geboren. Sie entstammte der bekannten Verlegerfamilie Ellwangens bzw. Tübingens.
1916 heiratete sie den Bezirksrabbiner Dr. Ernst Steckelmacher, dem sie zwei Kinder gebar. Am 9. Januar 1917 kam in Mannheim die Tochter Charlotte, am 25. Juli 1922 kam ebenfalls in Mannheim der Sohn Walter zur Welt. Beide Kinder überlebten die Judenverfolgung und Judenvernichtung der Nazis, da sie bereits 1933 – zusammen mit anderen Schülerinnen und Schülern des Landschulheims Herrlingen – nach England emigrieren konnten.
Zusammen mit Ihrem Ehemann kam Vera Steckelmacher 1935 nach Ludwigshafen, wo am 10. November 1938 in ihrem Beisein SA-Leute ihre Wohnung in der Bayernstraße verwüsteten. Am 22. Oktober 1940 wurde sie – ebenso wie die Juden der Saarpfalz und Badens – ins südfranzösische Gurs deportiert, wo sie wegen ihrer vorzüglichen Französischkenntnisse rasch zu einer wichtigen Ansprechperson der Häftlinge und der Lagerleitung avancierte. Da sie schwer erkrankte, behandelte man sie von August 1942 bis Februar 1943 in einem Krankenhaus von Toulouse stationär. Während dieses halben Jahres wurde das Lager Récébédou, in das sie zuvor mit ihrem Mann verlegt worden war, aufgelöst und ihr Mann zunächst nach Noé und schließlich wieder Gurs verlegt. Von dort wurde er Ende Februar nach Drancy und vom Pariser Durchgangslager aus nach Lublin-Majdanek deportiert, wo man ihn ermordete.
Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus kam Vera Steckelmacher in das Arbeitslager Villemur-sur-Tarn bei Toulouse und entging so der Deportation nach Drancy und in die Vernichtungslager. In Villemur beaufsichtigte sie sechzig spanische und zwanzig jüdische Schülerinnen und Schüler, deren Eltern – meist vor Franco geflohene Spanier – bei der „Société Générale d’Équipements (SGE)“ Zwangsarbeit verrichteten und elektrische Apparaturen sowohl für Autos als auch für Flugzeuge herstellten. Frau Steckelmacher musste die Kinder morgens vom Lager in die vier Kilometer entfernte Schule hin- und nachmittags wieder zurückbegleiten. Die Zeit zwischen Hin- und Rückweg überbrückte sie, indem sie in einem kleinen Hotel, das der Mutter einer Lehrerin gehörte, für ein gutes Mittagessen und Taschengeld Wäsche bügelte und flickte. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in die unbesetzte Zone zwangen die Spanier den Lagerkommandanten, alle persönlichen Angaben der Lagerinsassen zu vernichten, und so blieb auch die akzentfrei französisch sprechende Vera Steckelmacher „unentdeckt“.
Nach der Befreiung Frankreichs kam sie durch die Vermittlung jüdischer Hilfsorganisationen zunächst nach Lourdes, von wo aus sie Kontakt zu ihren Kindern – ihrem in London lebenden Sohn und ihrer in Jerusalem lebenden Tochter – aufnehmen konnte. Im August 1945 brachte sie ein Schiff von Neapel nach Haifa. Sie blieb jedoch nicht in Israel, sondern zog in die Nähe ihres Sohnes. Sie verstarb am 17. April 1962 in London.
Der Stolperstein für Vera Steckelmacher wurde am 25. Oktober 2020 vor dem Wohnhaus in der Lisztstraße 115 verlegt.