Ernst Weilheimer verbrachte die ersten fünf Jahre seines Lebens in Ludwigshafen. 1940 wurde er mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder nach Gurs deportiert. Dort gelang es dem „American Friends Service Committee“, die beiden Kinder zunächst in ein Kinderheim bringen. 1942 ermöglichte die Hilfsorganisation die Auswanderung in die USA.
Recherchiert von Philipp Meder
Ernst Weilheimer kam am 11. Dezember 1935 als Sohn von Lilly und Max Weilheimer zur Welt.
Am 22. Oktober 1940 wurden die Weilheimers in das südfranzösische Lager Gurs deportiert. Glücklicherweise existierten einige Hilfsorganisationen, denen es erlaubt war, den Lagerinsassen zu helfen, indem sie sie mit Essen und Materialien wie Büchern und Kleidung versorgten. Eine dieser Organisationen war das im Zweiten Weltkrieg gegründete „American Friends Service Committee“. Diesem gelang es, nach dreimonatigen Verhandlungen fünfzig Kinder im Alter zwischen fünf und dreizehn Jahren von Gurs in das Kinderheim „La maison de pupilles de la nation“ in Aspet zu bringen.
Nach dem Umzug ins Kinderheim im Februar 1941 erhielten Ernst und sein älterer Bruder Richard in den folgenden Monaten und Jahren Briefe von ihren Eltern, von denen einige auch heute noch erhalten sind. Doch es war das letzte Mal, dass die beiden ihre Mutter lebend sehen sollten. Lilly Weilheimer schrieb noch einige Briefe an „Ernstele“ und „Richardle“, doch am 17. Juli 1941 verstarb sie in Gurs. Zu diesem Zeitpunkt waren Beerdigungen außerhalb des Lagers noch gestattet, und so berichtete Maximilian seinen Söhnen in einem Brief, dass die Beerdigung von etwa 500 Insassen besucht wurde. Es dauerte lange, bis Richard und Ernst den Tod der Mutter verkrafteten.
Die Brüder lebten bis Juni 1942 im Kinderheim „La maison de pupilles de la nation“. Dann gelang es dem American Friends Service Committee, ihnen einen Platz auf dem wohl letzten Schiff, welches das besetzte Europa in Richtung Vereinigte Staaten verließ, zu verschaffen. In Marseille, von wo die SS „Nyassa“ am 25. Juni startete, konnten sie für einen Tag ihren Vater wiedersehen. Warum ihm die Lagerleitung erlaubte, für einen Tag nach Marseille zu reisen, ist nicht bekannt, doch wahrscheinlich rechnete man mit seiner Rückkehr, da viele seiner Familienmitglieder noch in Gurs festsaßen. Dies war der letzte Tag, an dem die beiden Brüder ihren Vater lebend sahen. Die einzige Erinnerung an ihn war eine Liste mit Namen der Verwandten in den Vereinigten Staaten, die er ihnen überließ.
Von Baltimore, wo die „Nyassa“ landete, kamen Ernst und Richard nach New York City, wo sie ihre Tanten Nelly und Alice wiedertrafen. Beide waren verheiratet und hatten Kinder und nahmen jeweils einen der beiden Brüder auf. Aufgrund ihrer prekären Lage war es keiner der beiden Familien möglich, beide Brüder aufzunehmen. Ernst kam zu Alice, Richard zu Nelly. Dies war noch als Übergangslösung gedacht, bis Maximilian auch in die USA auswanderte – doch dazu sollte es nie kommen. Den letzten Brief bekamen die Brüder von ihrem Vater am 22. September 1942. Er schrieb, dass er zusammenpacken müsse und nicht wisse, wohin er gebracht werde. Zudem hoffe er auf ein baldiges Wiedersehen. Es ist nicht bekannt, wohin er zu diesem Zeitpunkt verschleppt wurde, doch er schrieb danach keine weiteren Briefe. Bekannt ist, dass er wohl kurz darauf nach Gurs zurückkehrte. Denn am 26. Februar 1943 taucht sein Name auf einer Liste von Männern auf, die von Gurs ins „Sammellager“ Drancy verschleppt wurden. Von dort wurde er zusammen mit seinem Bruder Ludwig am 4. März nach Sobibor verschleppt. Wahrscheinlich wurde er dort direkt nach seiner Ankunft ermordet.
Ernst und Richard erfuhren erst viel später vom Tod ihres Vaters. Die Hoffnung auf ein Wiedersehen hatten sie nie aufgegeben. In den USA gingen beide zur Schule und feierten ihre Bar Mitzwa. Über Ernst Weilheimers weiteres Schicksal ist nichts bekannt.
Der Stolperstein für Ernst Weilheimer wurde am 11. Oktober 2022 auf dem Friedrich-Wilhelm-Wagner-Platz verlegt.
Das Wohnhaus der Familie hatte seinerzeit die Adresse Bismarckstraße 15. Es gehörte zu einer Häuserzeile, die sich gegenüber dem Eingang der heutigen städtischen Musikschule befand.